Frage nicht, was du für Mexiko tun kannst, sondern was Mexiko für dich tun kann. Diese zynische Verdrehung der Antrittsrede von John F. Kennedy im Jahre 1961 beschreibt die Einstellung zu Politik und Handel in Mexiko sehr treffend  leider gilt dies auch für das Tequila-Geschäft. Schon mit der Entstehung der Tequila-Branche vor rund zweihundert Jahren wurde die wichtigste Spirituosenkategorie Mexikos nicht von Destillateuren dominiert, die hausgemachten Tequila verkauften, denn: Den Trend zu Marketing-Firmen, die rentable Unternehmen aufkaufen, gab es schon damals. Es war eher ein Modell, bei dem die Hersteller ausgepresst wurden, als ein Modell, das zum Wohlstand des Landes beigetragen hätte. Der Destillationsvorgang ist dagegen nicht die eigentliche Herausforderung der Tequila-Branche. Vielmehr ist es der Anbau des Rohstoffs für den Tequila. Die Agave braucht viele Jahre, um zur Reife zu gelangen; sie wird durch eine kleine Herkunftsbezeichnung geschützt, ähnlich wie Champagner in Frankreich oder Scotch Whisky in Schottland. Die größten Tequila-Vermarkter haben es sich schon immer leicht gemacht und darauf geachtet, dass sie Eigentümer der Destillerien sind. Auf den Agavenanbau haben sie wohlweislich verzichtet – so konnten sie die Agavenfarmer gegeneinander ausspielen, die Agavenpreise drücken und ihren Gewinn maximieren, den sie dann wieder in große Marketingkampagnen investierten.

Die mexikanischen Inhaber von Tequila-Marken, die so lange Zeit um günstigere Agavepreise gekämpft hatten, entwickelten nach und nach ein Modell zur Beschaffung ihres Rohstoffs von Zehntausenden von Agavenfarmern aus ein und derselben Herkunftsregion. Diese Farmer standen beim Verkauf der Agaven an die Distillerien in Konkurrenz zueinander. In den letzten zwei Jahrhunderten konnten sich nur wenige Agavenfarmer von diesem ausbeuterischen Geschäftsmodell emanzipieren. Sie bauten keine Agaven für große Destillerien an, sondern verwendeten sie zur Herstellung ihres eigenen Tequila. Sich den großen Tequila-Herstellern entgegenzustellen, war ziemlich riskant, aber einige dieser kleinen Produzenten haben überlebt. Die Großdestillerien hielten dagegen an ihrem Geschäftsmodell fest. Sie kauften Agaven von Drittanbietern auf einem Markt mit hartem Preiswettbewerb, destillierten sie und investierten ihren Gewinn in Marketingmaßnahmen.

Dies änderte sich jedoch in den frühen 2000er Jahren, als die Globalisierung der Spirituosenindustrie zu einer Konsolidierung der Marken führte. Heute beherrschen ein halbes Dutzend Unternehmen den Markt und das Produktangebot in Geschäften und Bars. Die internationalen Spirituosenkonzerne erkannten ihre Abhängigkeit vom Zyklus der Agavenproduktion, der von zehntausenden Agavenfarmern getaktet wurde, die ihre Anbauzyklen nach den jeweiligen Preisen festlegten. Diese Abhängigkeit von reifen Agaven wollten die Konzerne nicht länger hinnehmen. Mit großen Maschinen, die in der Zuckerindustrie als „Diffusoren“ bezeichnet werden, gelang es ihnen, aus jungen Agaven effizienter als zuvor Zucker gewinnen. Plötzlich erkannten die Agavenfarmer, dass immer weniger globale Vertriebsunternehmen – die inzwischen mexikanische Destillerien aufgekauft hatten – für ihre reife Agave Verwendung fanden. Für sie waren die jungen, ohne jegliche Sachkenntnis angebauten und geernteten Agaven ausreichend, denn sie konnten sie ja in ihren großen Diffusoren effizient verarbeiten.

Leider mussten die Tequila-Aficionados feststellen, dass die neuen Diffusoren dem Geschmack und der Qualität des Tequilas nicht gerade zuträglich sind. Es entsteht ein einheitliches, süßliches Destillat ohne Charakter und Nuancen. Handwerkskunst oder Herkunftsbezeichnung? Fehlanzeige. Diese Tequilas sind fad, weich, langweilig und undifferenziert. Tatsächlich stehen sie im Widerspruch zum wesentlichen Charakter des Landes, da keines dieser Adjektive zu Mexiko passt. Auch für die jahrhundertealte Kultur und Tradition der Agavenfarmer ist diese Entwicklung verheerend: Ihre Zahl ist in den letzten 25 Jahren von knapp 30.000 auf etwas über 2000 gesunken. Auch die Spirituosenindustrie wurde von der Globalisierung erfasst – globale Vertriebsunternehmen kauften ihre eigenen Tequila-Destillerien und verbesserten die Produktionseffizienz. Gibt es heute überhaupt noch echten Tequila? Verzichten Sie auf Tequila, bei dem Diffusoren eingesetzt wurden, und retten Sie mit uns die letzten Agavenfarmer, die ihre eigenen Destillerien betreiben. Es gibt nicht mehr viele.

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